Glas – heute wie gestern faszinierend

Für den modernen Menschen ist Glas etwas ganz Selbstverständliches: Täglich treffen wir auf Fassaden, Türen und Fenster aus Glas, auf Trinkgläser, Spiegel, oder wir blicken auf unser Smartphone. Der unglaublich vielseitige Stoff ist ein fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Allerdings wissen die meisten Menschen keine Antwort auf die Frage, was Glas eigentlich genau ist – dieses faszinierende Material, das uns seit ein paar 1.000 Jahren begleitet.

Im waldreichsten Mittelgebirge Deutschlands wird seit sieben Jahrhunderten Glas hergestellt, und mit ihrer über 450-jährigen Geschichte ist die von Poschinger Glasmanufaktur die älteste Glashütte Deutschlands mit der längsten Familientradition der Welt. Poschinger fertigt Gläser nach jedem Kundenwunsch und setzt die Ideen von Designern, Firmen, Vereinen und Verbänden, aber auch von Privatpersonen um. www.poschinger.de | @ Fotostudio Eder

Beginnen wir bei den eher einfachen Zutaten, nämlich Sand, Kalk und Soda. Mit einer enormen Hitze zwischen 1.400 und 1.600 Grad wird diese Mischung zu Glas verschmolzen. Das gelang unseren Vorfahren schon vor rund 4.000 Jahren. Um 2.000 v. Chr. wurden erste einfache Glasprodukte wie Glasperlen hergestellt – wahrscheinlich in Mesopotamien oder Ägypten. Ungefähr zu dieser Zeit entwickelten sich auch die ersten Hohlglaskörper. Der eigentliche Beginn der Hohlglasherstellung fand jedoch erst mit der Erfindung der Glasmacherpfeife um 200 v. Chr. statt. Dabei entnahmen Glasmacher mittels eines langen Rohres Teile der flüssigen Glasmasse, die dann gedreht, geblasen und durch gezielte Kühlung zu der gewünschten Form verarbeitet wurde. Durch diese Erfindung konnte sich im 11. Jahrhundert das Zentrum abendländischer Glasmacherkunst entwickeln, nämlich in der Handelsmetropole Venedig. Übrigens wurde die Glasherstellung aus Brandschutzgründen – aber vor allem, um das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung zu bewahren – auf die Insel Murano verlagert.

Die Franzosen brachten dann um 1330 endlich auch Licht in die Häuser: Sie erfanden das  Prinzip des Mondglases. Dabei handelt es sich um ein im Schleuderverfahren hergestelltes Flachglas, das im Mittelalter als Fensterglas verwendet wurde. Nun ging es verhältnismäßig schnell: 1676 wurde in England Bleikristall und im 18. Jahrhundert das barocke Schnittglas entwickelt. 1904 erfanden Émile Fourcault und Émile Gobbe das Verfahren zur Herstellung von Flachglas und läuteten damit die Zeit der industrialisierten Glasherstellung ein.

Farbe kommt übrigens durch die Zugabe von Metalloxiden und seltenen Erden ins Glas.

Der kleine Lotuskelch ist das älteste Glasgefäß aus dem Alten Ägypten und trägt den Name von Thutmosis III. Hellblaues Glas, Theben Neues Reich, 18. Dynastie, Zeit Thutmosis’ III., um 1450 v. Chr. ÄS 630, @ www.smaek.de

Die Zukunft des Glases steht aber nicht still, sie nimmt gerade wieder Fahrt auf: Heute wird an extrem hartem und vor allem „intelligentem Glas“ geforscht, auch smart glass genannt. Solarzellen in Straßen könnten bald Energie liefern. Der lichtdurchlässige Stoff wird immer widerstandsfähiger, flexibler und lässt sich auch für das Energiemanagement einsetzen. So hat Schott aus Jena zum Beispiel ein 0,7 Millimeter dünnes Glas entwickelt, das massiven Druck aushält. Es ist so flach wie Alufolie und soll künftig unter anderem die Bildschirme von Smartphones und Tablets abdecken. Andere Glassorten widerstehen sogar Blitzeinschlägen und Hagelkörnern. In den USA gibt es eine erste Teststraße, die aus Glas besteht. Unterhalb der durchsichtigen Fläche haben Techniker des Unternehmens Solar Roadways Solarzellen eingebaut. Sollte der Test erfolgreich verlaufen, ließe sich Sonnenenergie über das Straßennetz gewinnen. Es gibt bereits Brücken aus tragfähigem Glas, und auch erste tragende Glaswände für Häuser sind in der Fertigung.

Bauherr: U.I. Lapp GmbH, Stuttgart Produkt: ECONTROL smart® 45/8 Einbau & Fertigstellung des Gebäudes: 2016 Architekt: Schwarz Planungsgesellschaft mbH & Co. KG, Stuttgart Foto: EControl-Glas GmbH & Co. KG | Fotograf: DIGIWORLD.tv

Auf der Glasstec im Oktober 2018 in Düsseldorf wird sicher auch über die zukunftsträchtige Technologie „intelligentes Glas“ gesprochen. Es kann seine Lichtdurchlässigkeit durch Anlegen einer elektrischen Spannung verändern und erlaubt zudem auch einen Informationsaustausch. Zusätzlich ist es möglich, interaktive Anwendungen in das Glas einzubauen – so kann man es als Interface nutzen, und es kann auch die Energiekosten verringern, die für Heizungen oder Kühlanlagen in Autos oder Gebäuden gebraucht werden.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Transparenz, Transluzenz, Farbe, spiegelnd oder undurchsichtiges Aussehen, und nahezu unbeschränkte Plattenformate in jeder nur denkbaren Form können hergestellt werden. Nicht nur diese hervorragenden bauphysikalischen, optischen oder architektonischen Kriterien, sondern auch Sicherheitsfragen werden darum in zunehmendem Maße dem Baustoff Glas übertragen.

Dynamische Transparenz

Offen, kommunikativ, kreativ: Bis ins Detail wird das Open-Space-Konzept in der neuen Europazentrale der Lapp Gruppe (U.I. Lapp GmbH) in Stuttgart-Vaihingen gelebt. Dieser rote Faden zieht sich durch das gesamte Architekturkonzept: Die transparente Hülle des Verwaltungsgebäudes ist von großen Fensterfronten geprägt. Um die Offenheit zu erhalten, entschied sich Lapp für das dimmbare Glas ECONTROL smart 45/8 (ECon-trol, Plauen). Es bietet gleich zwei Vorteile: Die freie Sicht nach außen bleibt stets gewahrt – und das intelligente Glas unterstützt die Klimatisierung des Atriums.

Das spektakuläre Bergrestaurant auf 3.048 m wurde vom Architekturbüro Obermoser in Innsbruck designed. Aufgrund der exponierten Lage im sensiblen Permafrostbereich wurde die Fundamentierung mit nur drei Einzelauflagen sehr klein gehalten. Für die Fassadenkon- struktionen wählte man Pfosten-Riegelkonstruktionen mit Dreifachverglasungen und teilemailierten Gläsern in den Deckenrandbereichen. Die Eckausbildungen der Verglasungen wurden als Ganzglaskonstruktionen mit Stufengläsern ausgeführt. Hier, wo innovative Architektur auf futuristisches Design trifft, wurden auch Teile des James-Bond-Films „Spectre“ gedreht. Bildmaterial: www.arch-omo.at | Fotograf: Rudi Wyhlidal